Kind und Erziehung

Das Zeugnis: Versetzung gefährdet, Mama ist schuld!

3. Februar 2014

Versetzung gefährdet Frau Mutter Blog

Letzte Woche hatten wir das Halbjahres-Gespräch mit Sebastians Klassenlehrerin. Nach gut anderthalb Jahren scheinen unsere Schul-Flitterwochen nun vorbei. Wenn man „Versetzung gefährdet“ hört, gehen erstmal alle Alarmglocken an bei den Eltern. Alles war so schön in der ersten Klasse. Ankommen. Sich an die Schule gewöhnen. Die Schultasche ein- und ausräumen. Neue Freunde finden. Mein Sohn geht gerne zur Schule. Auf die Frage „Wie war es in der Schule?“ lautete die Antwort immer: „War gut“.
Natürlich haben wir gemerkt, dass es in Mathe nicht ganz so rund lief. Ziemlich schlecht sogar. Und das hat uns auch nicht weiter verwundert. Das „Rechen-Gen“ ist nämlich eher schwach ausgebildet bei Mutter und Vater.

Alle Eltern freuen sich ja, wenn sie gewisse äußerliche Merkmale und ihre Fähigkeiten im Kind wiederentdecken. Das ist wohl so eine angeborene Eitelkeit von Eltern.

„Oh, schau mal, er hat MEINE Lippenform. Die Natur fand meine Lippen also so toll, dass sie meine Lippen gleich nochmal verwendet hat.“

„Ja, und sein Ordnungssinn. Das hat er ja wohl Gottseidank von MIR. So kommt er also prima durchs Leben.“

Aber was ist, wenn das Kind so ganz offensichtlich eine negative und ungeliebte Eigenschaft von einem geerbt hat?

Ab der zweiten Klasse musste ich hauptsächlich während des Mathe-Unterrichts zur Toilette gehen. Und habe danach noch ausgiebige Spaziergänge über den Schulhof unternommen. Wenn mich die Klassenlehrerin dann wieder einsammelte, begann ich mir bei den ungeliebten Textaufgaben zusätzliche Geschichten auszudenken.

„Paul kauft 100g Käse. Der Käse kostet 3 Mark und fünfzig Pfennige. Wieviel kostet dann 250 g“?

Was hat der Paul wohl auf dem Weg zum Supermarkt erlebt? Fährt er mit dem Fahrrad? Er hat bestimmt ein blaues, so wie der Michael von nebenan. Den will ich ja heiraten. Aber der mag ja die Sabine. Welchen Käse kauft Paul überhaupt? Scheibletten oder Camembert? Wieviel Taschengeld bekommt er wohl? Vielleicht isst er lieber Wurst…..?

„Nina, wieviel kosten dann 250 g?“

„Also, ähhhh… Ich muss mal auf Toilette?“

So ungefähr habe ich 13 Jahre Mathematikstunden durchlebt. Ab Klasse 7 habe ich komplett aufgegeben. Einfache Bruchrechnung und auch Prozentrechnung ging noch, aber alles was danach kam? Bei Gleichungen und Polynomdivision fielen mir einfach keine Geschichten mehr ein und die Hoffnung, dass ich das irgendwann verstehen könnte, hatte ich bald aufgegeben.

Also entwickelte ich eine grosse Aktivität in der rechten Gehirnhälfte und konnte zum Beispiel ab der zweiten Klasse meine Klassenkameraden mit Witzen auf bayerisch unterhalten.

Und ich war gut in Deutsch. Das hat mich über die Schulzeit gerettet. Hier und nur hier entwickelte ich Ehrgeiz und Lernwillen. Und Lesen habe ich geliebt!

Mein Sohn liest auch recht gut und kann gut auswendig lernen. Das Schönste an Schule ist aber für ihn das soziale Umfeld. Seine Freunde, seine „Verknallten“ (also die Mädchen, die er heiraten will) und die Lehrerin.

Aber so läuft Schule leider nicht. Es gibt Lehrpläne, Lernziele, Zeugnisse und Versetzungen, die gefährdet sind. Meine Versetzungen waren aufgrund des Totalausfalls in Mathematik und anderen Naturwissenschaften auch oft gefährdet und ich weiss wie schrecklich sich das anfühlen kann. Immer das Zittern am Ende des Schuljahres. Kann ich es ausgleichen?

Bei allem „Ausgleichen“ und den netten Freunden will man als Kind doch auch mitkommen. Man will es schaffen, man will den Test gut schreiben und wenn es dann einfach nicht geht, kann das so schmerzen. Es ist nicht gut fürs Selbstbewusstsein, wenn man etwas einfach nicht kann. Und alle anderen schaffen das irgendwie.

„Warum kann ich es nicht? Ich bin wohl ein bisschen blöde.“

Ich hätte das meinem Sohn so gern erspart, aber dann hätte ich wohl vorsichtshalber einen BWLer heiraten müssen. Wollte ich aber nicht.

Irgendwann in meiner Schullaufbahn habe ich entschlossen, dass ich offen mit meinem Fehler umgehe und es mit Humor nehme.

„Ihr kommt wahrscheinlich hier sehr schlecht ohne mich weiter, aber ich gehe jetzt mal aufs Klo“, war mein bevorzugter Spruch in der Oberstufe.

Widrigkeiten mit Humor nehmen ist eine Stärke von mir, aber darin liegt immer auch eine gewisse Akzeptanz des Schicksals, ein Hinnehmen.

Dieses „Hinnehmen“ möchte ich meinem Sohn so gern ersparen. Er soll sich und die Mathe nicht so schnell aufgeben wie ich.

Also üben wir mit ihm, er bekommt auch Nachhilfe. Mengen werden mit Muggelsteinen und „Star-Wars“-Karten“ verdeutlicht. Er bekommt einfachere Aufgaben und alle bemühen sich, dass er Erfolgserlebnisse in Mathe hat.

Dabei finde ich es auch ganz wichtig, dass die Textaufgaben interessant sind.

„Also wenn Du die Lina heiratest und mit ihr zwei Kinder hast, aber dann später noch die Lena und mit der hast Du dann drei Kinder, wieviel Kinder sind das dann?“

„Aber Lina und Lena waren ein bisschen zickig in letzter Zeit, jetzt ist die Sarah meine Verknallte.“

Recht hast Du, mein Sohn, Logik hat nicht immer etwas mit Mathematik zu tun!

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12 Kommentare

  • Reply Mama arbeitet 3. Februar 2014 at 10:23 am

    Exakt so. Nur dass mein Ex rechnen kann und konnte, und ich sehe, dass der Sohn dahingehend Glück hatte (nun in der 2. Klasse). Aber meine Schullaufbahn verlief ähnlich wie deine. Es ist ein Wunder, dass ich das Abi mit 2,1 geschafft habe, und war nur möglich, weil ich damals Mathe noch nach der 12. abwählen konnte. Stattdessen durfte ich Bio als 3. Prüfungsfach nehmen. Ich hatte noch bis vor wenigen Jahren Albträume von Mathe-Arbeiten, wirklich.

    Meine Grosse (8. Klasse) hat dank einer sehr guten Nachhilfe (Studentin, die ins Haus kam), sich um 2 Noten verbesser in Mathe. Das freut mich sehr, denn sie sagte selbst, sie wolle nicht mit Angst in die Schule gehen, und hat sich die Nachhilfe gewünscht.

    Viele sehr sympathisierende Grüsse, Christine

  • Reply Frau Mutter 3. Februar 2014 at 10:26 am

    Liebe Christine, danke für Deine Erfahrungen. Mathe abwählen wäre auch meine Rettung gewesen;) LG Nina

  • Reply Vivi 3. Februar 2014 at 10:52 am

    Das „Ich geh dann mal aufs Klo“ in den Mathestunden kommt mir irgendwie bekannt vor… Ich bin mir sicher, dass Sebastian mal genauso gut mit Worten umgehen kann wie seine Mama, da ist dann total egal wie viel der Käse kostet!

  • Reply Antonia 3. Februar 2014 at 12:01 pm

    Liebe Nina,

    das kommt mir sehr bekannt vor. Mit Beginn der zweiten Klassen wurde immer deutlicher, dass in Mathe etwas bei meiner Tochter nicht stimmte. Wir hatten das Glück,  dass eine sehr engagierte Sonderpädagogin auf Nelly aufmerksam wurde und sich mit ihr beschäftigt hat. Bald schon fiel zum ersten Mal das Wort „Dyskalkulie“. Wir hatten es bis dato noch nie gehört. Rechenschwäche. Hä? Wasn das?
    Fakt ist, eine Rechenschwäche MUß therapiert werden. Von alleine oder mit klassischer Nachhilfe oder zu Hause üben ist da NIX zu machen. Denn die Basis, das Grundsätzliche muss erst mal aufgeräumt/sortiert werden.
    Ich stelle mir das immer so vor: in Nellys Hirn ist ne Telefonzentrale und das schicke Fräulein hat beim Fingernägellackieren zwei bis drei Kabel falsch gesteckt und nun muss unser Lerntherapeut mühsam die Kabel wieder richtig stecken, damit die Leitungen für Mathematik wieder richtig funktionieren können.

    Die Lerntherapie ist sehr teuer. Man kann aber beim Amt eine Kostenübernahme beantragen. Der Weg da hin ist enorm anstrengend und belastend für Eltern und Kind, aber er lohnt sich.
    Das Ganze liegt nun fast zwei Jahre hinter uns und nach einem Schul- und einem Therapeutenwechsel sind wir endlich so weit, dass ein klitzekleiner Fortschritt zu vermerken ist.

    Eins ist klar, in Mathe wird sie nie mithalten können,  aber dafür gleicht sie das in ihren sehr guten Leistungen in Deutsch und Englisch wieder aus. Und zum Glück sind wir an einer Schule, in der es erst in der sechsten Klasse Noten gibt. Somit ist sie diesem ewigen Direktvergleich mit anderen in ihrer Klasse nicht ständig ausgesetzt.

    Übrigens, viele Lehrer haben von Dyskalkulie NULL Ahnung und erkennen nicht wie gravierend die Auswirkungen sein können.
    Ich würde dir auf jeden Fall dazu raten einen Test auf Dyskalkulie bei Sebastian durchführen zu lassen, um das evtl. ausschließen zu können.

    Falls du noch mehr Infos oder Adressen brauchst, sag Bescheid.

    Liebe Grüße,
    Antonia von ne,no berlin

  • Reply Rike 3. Februar 2014 at 1:12 pm

    …Kopf hoch, auch wenn die Mutterbrust hängt! Das wird schon. In der zweiten Klasse ist es doch noch viel wichtiger, dass man rechtzeitig aufs Klo kommt als dass man Integralrechnen kann… Wenn Du in 6 Jahren ähnliche Texte über deinen Prinzen verfasst, dann OHA! Aber jetzt, püh! Entspann dich, er lernt „nebenbei“ wie alle Kinder, der Erfolg wird sich später einstellen.

  • Reply Rike 3. Februar 2014 at 1:17 pm

    Ach so, Nachtrag als Betroffene: in der 3.Klasse hat mein Prinzenkind regelmäßig Vieren bei Mathetests geschrieben, Kommentar: Rechenweg fehlt, wahrscheinlich abgeschrieben! Betrugsversuch! Beim Nachfragen kam unter Tränen heraus, dass der blöde Rechenweg für das Kind überhaupt nicht logisch oder zielführend war…er hats im Kopf gerechnet, nur dass die Lehrerin das nicht glauben wollte. Fazit: Schule ist doof, nur leider notwendig. Nun sitzt der Siebtklässler täglich 2 Stunden und paukt und büffelt und schreibt artig Rechnewege, aber die Kreativität ist irgendwie hin… die wurde verschüttet durch angelernte Logik (meine Theorie)

  • Reply Frau Mutter 3. Februar 2014 at 2:03 pm

    Ich danke Euch wie immer von ganzem Herzen für Eure lieben, lustigen und hilfreichen Kommentare.
    @Rike: „Auswendiglernen“ wurde uns teilweise auch empfohlen und ich weiss wirklich aus eigener Erfahrung, das bringt nüscht
    @Antonia: Ich finde das sehr interessant, was Du schreibst und das ist auch tatsächlich der nächste Schritt für uns. Ich hoffe, wir finden gute Leute!!

  • Reply Martine 3. Februar 2014 at 2:40 pm

    Hiermit die bescheiden Meinung einer ex-Mathelehrerin:

    Ich glaube nicht, dass du so schlecht in Mathe bist. Meines Erachtens kann mann keine Blogs in dieser Art und Weise schreiben, wenn mann nicht sehr gut analytisch denken kann. Das kannst du. Also kannst du auch Mathe. Du hattest vielleicht nicht solche gute, inspirierende, begeisternde Lehrer? Vielleicht auch etwas Versagensangst? Vielleicht solltest du dich jeden Tag vor dem Spiegel stellen und zehnmal laut und überzeugend sagen: `Ich bin gut in Mathe, ich bin gut in Mathe.` Und das dann zusammen mit Sebastian! Wetten dass das besser hilft als eine halbe Stunde extra üben?

    Lieve groet, Martine

    ps: Bisschen überflüssig zu sagen, aber ich war dann wieder sehr schlecht in Deutsch…

  • Reply TheSwissMiss 3. Februar 2014 at 10:54 pm

    Du glaubst ja nicht wie froh du viele Mütter machst indem du zugibst kein „Genie in allem“ zu haben:)

  • Reply Linda 4. Februar 2014 at 7:44 am

    Ojeee ich bin ja mal seeeehr gespannt wie sie meinte Kids so machen werden! Mein großer ist jetzt in der Vorschule und kommt dieses Jahr in die erste klasse…ich kann mich noch ganz gut an die Bösen mathe Stunden und die noch böseren mathehausaufgaben erinnern bei denen meine Mutter eingentlich grundsätzlich völlig ausgerastet ist und mir eine geknallt hat!

    In bin echt froh das heute eher Ursachenforschung betrieben wird, um zuschauen WARUM ein Kids dieses oder jenes wirklich ums verrecken nicht versteht!

  • Reply Sabine 10. Februar 2014 at 3:24 pm

    … bei uns ist es gerade umgekehrt – Sohnemann liebt Zahlen und jongliert gradezu damit. Zu Kindergartenzeiten musste alles mögliche gezählt werden, in der ersten Klasse wollte er rechnen, rechnen, rechnen. Letztens habe ich ihm bei einer „Wohnungsschnitzeljagd“ eine Rechenaufgabe gegeben, bei der es um die Addition von 6 oder 7 Zahlen ging. Er hat gerechnet, noch während er die Aufgabe gelesen hat. Ergebnis korrekt. Ich konnts nicht glauben (bin auch so ne Mathe-Null !:-) ) und hab ne andere Aufgabe gestellt. Dasselbe in grün. Der junge Mann liebt eben Zahlen.
    Dafür windet er sich um jeglichen Text, den es zu lesen gilt. Die Stimme geht zum Satzende (Punkt) nach unten ? „hä ??“ Sätze werden ohne große Veränderung der Betonung gelesen (und das nach jahrelangem abendlichem Vorlesen meinerseits, wobei ich eben darauf peinlichst geachtet habe). Vom Schreiben mal ganz abgesehen: eine Klaue sondergleichen. Wenn ich da die Schrift von Klassenkameraden sehe…. klein, zusammenstehend, eben so wie „man“ schreibt. Meiner einer: Riesige Buchstaben, die einzelnen Buchstaben auch noch schön auseinandergezogen …
    Fazit ? Man kann eben nicht alles haben 😉
    Mein Trost: er wird früher oder später ohnehin viel mit Tastatur schreiben (müssen), von daher … oder er wird Arzt: die Schrift dazu hätte er ja *hihi*

    Liebe Grüße
    Das Halbjahresgespräch steht noch aus – es ist also noch spannend, was die Lehrerin in Sachen „Deutsch“ uns mitteilt 😉

  • Reply Lars Rabeler 26. Mai 2015 at 1:53 pm

    @Antonia!

    In Sachen Dyskalkulie ist für mich wichtig, den betroffenen Kindern klar zu machen, dass Sie nicht schuld sind oder etwas falsch machen. Hier kommt eine Anregung, wie man das machen kann…

    Sieben Schritte, mit denen Sie Ihrem Kind Dyskalkulie erklären können
    1. Kennst Du jemanden in Deiner Klasse, der eine Brille hat? – Ja, … trägt eine Brille!
    2. Warum trägt er die? – Weil er nicht so gut sehen kann.
    3. Genau, und kann er was dafür, dass er nicht so gut sehen kann? Nein.
    4. Siehst Du, und bei Dir ist das ähnlich, nur das Du eben Schwierigkeiten mit dem Rechnen hast. Das Gemeine ist nur, dass es für diese Dyskalkulie – so nennt man das – keine „Brille“ gibt. Wir können nur gemeinsam üben und schauen, dass Du ein paar Tricks lernst, mit denen Du besser rechnen kannst .
    5. Du hast doch bestimmt schon gedacht, dass Du zu dumm für Mathe bist oder Dich nicht genug anstrengst, oder?
    6. Denkst Du das auch von …, weil er ohne Brille nicht so gut sehen kannst? Nein!
    7. Siehst Du, und genau so wenig bist Du schuld daran, dass Du diese Schwierigkeiten mit dem Rechnen hast. Leider gibt es für Dyskalkulie keine „Brille“.

    Machen Sie Ihrem Sohn oder Ihrer Tochter deutlich, dass er oder Sie andere Stärken hat und dass es noch viele andere Kinder gibt, die genau das gleiche Problem haben.

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